a) Nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist zu beurteilen, ob ein
behinderter Mensch infolge seiner Behinderung in seiner Bewegungsfähigkeit
im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Hilflose und Gehörlose haben
stets einen Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr.
b) In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist,
wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden,
oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit
nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder
andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise
noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen
vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse
des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – d.h. altersunabhängig
von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt
werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa
zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird.
Auch bei Säuglingen und Kleinkindern ist die gutachtliche Beurteilung einer
erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr
erforderlich. Für die Beurteilung sind dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen
mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend. Es ist nicht zu prüfen, ob
tatsächlich diesbezügliche behinderungsbedingte Nachteile vorliegen oder
behinderungsbedingte Mehraufwendungen entstehen.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der
Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten
Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die
Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen
und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens
50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen
an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein,
wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken,
z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks
in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von
40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf
die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche
Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit
Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen
mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer
schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische
Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als
erfüllt anzusehen.
e) Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit
der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen
ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer
mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdS von wenigstens 70 zu schließen,
wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Analoges gilt beim Diabetes
mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks.
f) Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung
der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit
einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB
von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der
Ausgleichsfunktion (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige
Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher
Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im
Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter
bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der
Ausgleichsfunktion (z.B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt.
Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit
vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im
Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden
können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung
der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100
immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen.
Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit
nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht.